Viele Menschen denken bei Krafttraining in erster Linie an Bodybuilding und junge „Kraftprotze“ im Fitnessstudio. Dieses Bild ist aber längst überholt. „Krafttraining sollte in jedem Alter essentieller Bestandteil des Bewegungsprogramms sein“, betont Sportkardiologe Doz. DDr. Manfred Wonisch von SPORT-med-GRAZ.

Dem natürlichen Alterungsprozess kann man sich zwar nicht ganz entziehen. „Der Höhepunkt der körperlichen Kraft und Muskelmasse besteht bei einem Alter zwischen 25-30 Jahren, danach tritt ein durchschnittlicher Kraftverlust von ca. 10 Prozent pro Dekade auf. Die Muskeln bauen ab einem Alter von ca. 55 Jahren zwar schneller ab und ab 70 sehr schnell“, erläutert der Experte. Allerdings: „Durch gezieltes Training kann ich mit 70 noch ähnlich viel Muskulatur haben wie ein mittelmäßig trainierter 30-Jähriger“, verweist Wonisch auf den großen Einfluss des Krafttrainings.

Inaktive Menschen verfügen ab 70 nur noch über rund 40 Prozent der einstigen maximalen muskulären Leistungsfähigkeit, zeigen Studien. Trainierte Menschen in diesem Alter weisen dagegen noch über ca. 65 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit auf.

Krafttraining für ältere Menschen: Gleichgewichtstraining besonders wirksam

„Erst kürzlich hat wieder eine Studie die Wichtigkeit von Krafttraining vor allem bei älteren Personen bestätigt. Wichtig ist allerdings, dass das Training sorgsam und systematisch eingeführt und professionell überwacht wird“, verweist Wonisch auf einen Review aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin (DZSM).

Für diesen Review wurde speziell Metastabilitätskrafttraining (MKT) analysiert. Darunter versteht man das Krafttraining auf instabilen Unterlagen oder mit instabilen Geräten (z. B. Training mit Handeln Balanceboards) analysiert. Gerade für ältere Menschen bietet ein solches Krafttraining Vorzüge, um instabile Körpergleichgewichtslagen zu vermeiden und ein mögliches Sturzrisiko zu verringern.

  • Die Studie zeigt, dass MKT im Vergleich zu herkömmlichen Krafttraining weniger hohe Lasten erfordert, um Kraftzuwächse zu erzielen. Auch werden größere Gelenkflächen trainiert und die Verbesserungen im Bereich der funktionellen Mobilität, dem Gleichgewicht und der Schnellkraft sind größer.
  • MKT stabilisiert auch das Gangverhalten, womit eine Sturz-Prävention einhergeht.
  • Darüber hinaus wird die kognitive Leistungsfähigkeit optimiert.

Auch bei Vorerkrankungen Krafttraining durchführen

„Für gesunde Menschen sind 2 bis 3 Einheiten Krafttraining zu je 30 Minuten pro Woche empfehlenswert, das gilt eigentlich unabhängig des Alters. Vor allem das Gleichgewicht kann man auch im Alltag trainieren – etwa, indem man beim Zähneputzen auf einem Bein balanciert“, nennt Wonisch ein Beispiel. Genauso wie beim Ausdauer-, gilt auch beim Krafttraining: „Jeder Schritt zählt. Und am wirksamsten ist das Krafttraining, wenn es individuell konzipiert ist. Ziele und Voraussetzungen sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich.“

Auch bei Vorerkrankungen sollte man keineswegs auf Krafttraining verzichten. Die fachmännische Begleitung ist hier zwar noch wichtiger, damit das Training auch wirklich als Medikament wirkt. Gerade bei Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist die positive Wirkung von Bewegung klar erwiesen. „Regelmäßiges Krafttraining führt beispielsweise dazu, dass bestimmte Kraftbelastungen im Alltag, wie etwa das Heben einer Kiste, zu einem geringeren Blutdruckanstieg führen.“

Auch darüber hinaus ist die Wirkung von Bewegung und Krafttraining vielfältig: „Die Cholesterin-Werte können sich verbessern und der Blutzucker-Spiegel sinkt. Bei einer körperlichen Aktivität werden nämlich die Muskeln aktiviert, die für ihre Arbeit Glukose benötigen. Diese Glukose wird aus dem Blut in die Zelle geschleust“, so Wonisch.

Krafttraining für ältere Menschen zur Demenz-Prävention

Der Sportkardiologe verweist auch auf die „Anti-Demenz-Wirkung“ von Krafttraining. Einen Zusammenhang zwischen Muskelwachstum und Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bestätigt etwa eine Studie der University of Sydney. Für diese wurden Menschen zwischen 55 und 80 Jahren untersucht, die 2 Mal pro Woche Kräftigungsübungen durchführen. Dabei war zu beobachten, dass Übungen mit Gewichten und Widerständen zu signifikanten Verbesserungen der kognitiven Funktionen führen. Sogar noch Jahre nach Abschluss der Studie blieben die Vorteile erhalten.